Schon
Herbert Grönemeyer fragte in seinem Lied "Mit Gott an unsrer Seite" ob bei den sogn. "Christdemokraten" nicht der heilige Geist über Bord gegangen sei.
Wenn CDU oder CSU in aussichtsloser Opposition sind ...
Auch beim Thema Demokratie scheint es sich so zu verhalten. Deutlich wird dies besonders dort wo es folgende parteipolitische Konstellation gibt:
die parlamentarische Mehrheit befindet sich fest in der Hand traditionell links eingeordneter Parteien (SPD, Grüne, Linke.PDS etc.) die CDU resp. CSU befindet sich in aussichtsloser Oppositionsrolle. Das ist gerade auf kommunaler Ebene in Großstädten wie Berlin und München der Fall.
Nichtsdestotrotz ist die Union prinzipiell gegen direktdemokratische Mitbestimmung, auf allen und auch auf kommunaler Ebene, und wendet sich prinzipiell gegen die Einführung oder Erweiterung derselben. Wo sie an der Macht sitzt sowieso, aber auch wo sie in der Opposition ist wie im Berliner Abgeordnetenhaus.
Doch kommt es eben vor, dass durch linke Parlamentsmehrheiten oder Volksbegehren (so sie nicht von den Parteien, Regierungen und Verfassungsgerichten torpediert werden) Bürgerentscheide gegen den Willen der "Christdemokraten" eingeführt werden.
So geschehen 1995 in Bayern durch das Volksbegehren "Mehr Demokratie in Bayern" gegen die CSU-Mehrheit und 2005 in Berlin durch parlamentarische Kooperation von SPD, Linke.PDS, Grünen und FDP gegen die CDU.
Bürgermitpsrache = Untergang des Abendlandes?
Doch hatte die CDU resp. CSU vor der Einführung noch den Untergang des Abendlandes durch mehr Bürgermitsprache orakelt, zeigt sich nach der Einführung ein ganz anderes Bild sofern die Union sich in oben beschriebener aussichtsloser Opposition befindet. So war es die Münchner CSU, die als eine der ersten 1996 ein Bürgerbegehren für den Bau der drei Ringtunneln gegen den SPD-Grün-dominierten Stadtrat startete. Beim bundesweit Schlagzeilen machenden Feldafinger Bürgerentscheid über das umstrittene Buchheim-Museum konnte man in der öffentlichen, im TV übertragenen Bürgerversammlung in Feldafing einen Edmund Stoiber erleben, der mit Engelszungen versuchte die drohende und dann auch eingetretene souveräne Ablehnung des Buchheim-Museums durch die Feldafinger Bürger abzuwenden.
"Wir waren ja nur dagegen, dass sich immer dieselben Berufsbetroffenen äußern"
So nicht anders bei den Berliner Unionskollegen. Wurde vor der Einführung noch Fundamentalopposition gegen die Einführung des Bürgerentscheids in den Berliner Bezirken betrieben, gibt sich die CDU danach wie gewandelt und nutzt das Instrument um (Sach-)Politik gegen linksregierte Bezirksverammlungen wie Friedrichshain-Kreuzberg oder Marzahn-Hellersdorf zu machen.
Auf die Scheinheiligkeit ihres Opportunismus angesprochen meinte CDU-Kreischef Kurt Wansner gegen über der
Berliner Zeitung lakonisch: "Wir waren ja nur dagegen, dass sich immer dieselben Berufsbetroffenen äußern". Ein Satz der tief blicken lässt. Welches demokratisch-rechtsstaatliche Verständnis (wenn überhaupt eines) steckt dahinter, wenn man zuerst einem Gesetz unterstellt es würde nicht für alle gleich gelten und nur die anderen würden davon profitieren, dann aber selbst durch Inanspruchnahme eben dieses Gesetzes sich selber Lügen straft?
Die einzige, logisch plausible Erklärung ist ein
krankhafter Machtopportunismus der Unionspolitiker, der keinerlei demokratische oder rechtsstaatliche Moral kennt. Besonders deutlich wurde dies in Schleswig-Holstein bei der Bundestagswahl 1998 mit der gleichzeitig ein
Landesvolksentscheid über die Rechtschreibreform abgehalten wurde. Trat die CDU davor noch als vehementer Unterstützer des Volksbegehrens auf, kippte sie danach, als es keine Wählerstimmen mehr abzugreifen gab, um wie ein nasser Sack und stimmte mit dem Rest des Parlamentes gegen den erklärten Volkswillen und machte das Ergebnis des Volksentscheides damit Null und nichtig.
Wer aber nun glaubt er sei bei den anderen Parteien in Sachen echter (direkter) Demokratie besser aufgehoben, muss leider enttäuscht werden. SPD, Grüne, PDS und auch FDP geben sich offiziell pro-demokratisch und versprechen gerne direktdemokratische Mitsprache des Volkes, nur leider halten sie dieses Versprechen nie und lassen jede Chance der Umsetzung vorüberstreichen. Nur wenn es denn einmal die Instrumente gibt, haben diese weitaus weniger Erklärungsnöte als die CDU/CSU, da sie sagen können: "Das haben wir ja schon immer gefordert!"
Irgendwo hat jede Partei und jeder Politiker seinen Bruch mit der (direkten) Demokratie. Entweder man ist generell dagegen, nutzt es aber klammheimlich hinterher doch, wenn es einem opportun erscheint. Oder man tut lautstark so als sei man dafür und es schon immer gewesen, hält dann aber nur nie sein Versprechen. Und allen gemeinsam ist: als Opposition gibt es im konkreten Fall keine Berühungsängste der Politiker mit der (direkten) Demokratie, aber an der Regierung will keiner mehr davon etwas wissen.
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