Rousseau hat schon damals die Volksverarschung erkannt
geschrieben von:
cassiel (IP-Adresse bekannt)
Datum: 03.04.2006 14:40
andrku schrieb:
> Das jetzige System ist nahezu perfekt gegen
> Änderungen von unten geschützt. Der Förderalismus,
> die undurchsichtige überbordende Gesetzeslage und
> die wechselnden Machthaber. Dazu die Propaganda
> wir hätten eine Demokratie und die allgemeine
> Vernebelung von Tatsachen durch die Medien.
Gerade dazu einen sehr interessanten Artikel gefunden.
Auch nach über 200 Jahren hat Rousseau immer noch Recht. Ein déjà vue par excellence.
"Wer niemandem befehlen will,..."
"...ist schwer zum Gehorchen zu bringen, und die schlaueste Politik kann es nicht erreichen, Menschen zu unterjochen, die nach nichts als nach Freiheit streben."
Rousseau beschäftigte sich mit der Entstehung des Staatswesens, dem Verlust der menschlichen Freiheit und was sich weiteres daraus ergab. Parallelen von seinen ausformulierten Gedanken zu heutigen Zuständen sind nicht nur augenscheinlich, sondern treffend..
"Die Reichen mußten vor allem bald einsehen, ..., daß ihr Recht unsicher war und auf Mißbrauch beruhte und daß sie sich nicht beklagen durften, wenn ihnen etwas gewaltsam weggenommen wurde, was sie sich mit Gewalt angeeignet hatten."
An diesem Stand angelangt, mussten die Reichen sich etwas einfallen lassen: Die Gesetzlichkeit
Und wie verhielten sich die übrigen (nichtreichen) Menschen?
"So schmiedeten sie alle ihre eigenen Ketten und wähnten doch ihre Freiheit zu verteidigen. Sie waren zwar vernünftig genug, die Vorteile einer Staatsmacht zu erkennen, es fehlte ihnen aber an Erfahrung, die damit verbundenen Gefahren vorauszusehen. ... "Die Gesellschaft und die Gesetze, die so entstanden sind (oder deren Entstehung auf diese Weise erklärt werden kann), schufen für die Schwachen neue Fesseln, für die Reichen aber neue Macht, vernichteten unwiederbringlich die natürliche Freiheit, legten das Eigentum und die Ungleichheit für immer als Gesetz fest, machten aus einer listigen Usurpation ein unaufhebbares Recht und verdammten zum Vorteil einiger Ehrgeiziger die gesamte Menschheit zur Arbeit, zur Knechtschaft und zum Elend."
"Die Armen hatten nichts zu verlieren als ihre Freiheit."
Und diese gaben sie her, als würden sie sich von einer Last befreien. Nein, mit Rousseaus Worten war es einfach, "diese plumpen, leicht zu führenden Menschen mitzureißen."
"Schließlich ist es vernünftig anzunehmen, eine Sache sei von denen erfunden worden, denen sie nützlich ist, und nicht von denen, welchen sie Schaden bringt."
"In den Beziehungen der Menschen untereinander kann nun aber keinem ein größeres Unheil zustoßen , als sich dem Ermessen eines anderen unterwerfen zu müssen." ... "Die Politiker lassen sich hinsichtlich der Freiheitsliebe zu den gleichen Trugschlüssen verleiten wie die Philosophen hinsichtlich des Naturzustandes. Von dem, was sie sehen, schließen sie auf etwas ganz anderes, was sie nicht gesehen haben."
"Welche Rechtskraft kann ein Vertrag haben, der nur dem einen der beiden Teile Pflichten auferlegt, einer Partei alle Rechte einräumt, während er sie der anderen entzieht, und der nur auf den Nachteil des unterdrückten Vertragspartners abzielt? Dieses hassenswerte System ..."
Das war vormittelalterlich, jetzt sind wir in der Handhabung der Gesetzlichkeit wieder dort.
"Jeder von ihnen wäre stets berechtigt, den Vertrag aufzukündigen, sobald er fände, daß der andere Teil die Bedingungen nicht erfüllte oder diese ihm selbst nicht mehr zusagten." ..."...,dann steht dem Volk, das für alle Fehler seiner Herren büßen muß, ein um so größeres Recht zu, das Abhängigkeitsverhältnis zu lösen."
Kommt uns Folgendes bekannt vor?
"Man könnte leicht nachweisen, wie die Herrschenden alles fördern, was die Gemeinschaft und Eintracht schwächt, und wie sie alles daransetzen, um der Gesellschaft zwar den Anschein der Einigkeit zu geben, tatsächlich aber den Samen der Trennung auszustreuen, unter den verschiedenen Ständen Mißtrauen zu erwecken und ihnen auf Grund ihrer ungleichen Rechte und gegensätzlichen Interessen einen wechselseitigen Haß einzuflößen. So festigen die Herrschenden immer mehr die Macht."
Das ist auch die Erklärung dafür, warum wirkliche soziale Projekte niemals wirklich unterstützt würden vom "Oben-Unten-System" und alles, was des Volkes Einsicht und Kraft stärkt, zerstört werden muss.
Alle Zitate aus: Jean-Jaques Rousseau, Frühe Schriften, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1970, S. 176ff
4-mal bearbeitet. Zuletzt am 19.05.06 13:00.