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Nein, das Ganze war ihm schon länger nicht geheuer. Es drängte ihn, seine Angst in aller Öffentlichkeit zu formulieren. Also wählte Fritz Horst Melsheimer, Präses der mächtigen Hamburger Handelskammer, für seine Botschaft seinen wichtigsten Auftritt des Jahres. Den Auftritt, bei dem alle, die in dieser Stadt etwas zu sagen haben, einfach nur zuhören müssen: die Neujahrsansprache in seinem Reich.
Es war bei dieser legendären Veranstaltung im Jahr 2013, als der Präses der Ungeheuerlichkeit einen Namen gab: "Selbstentmachtung" nannte er den Prozess, der durch "die Einführung umfangreicher Elemente direkter Demokratie in unser System der repräsentativen Demokratie" begonnen habe.
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Die direkte Demokratie ist in Hamburg angekommen, so sehr wie nirgends sonst in Deutschland. Die Stadt hat eine bürgerfreundliche Volksgesetzgebung, ein personalisiertes Wahlrecht und ein Transparenzgesetz. Damit ist Hamburg das demokratischste Bundesland der Republik. Die Stadt und ihre Bürger haben 1996 mit einer Verfassungsreform ein ausgeklügeltes System der Bürgerbeteiligung geschaffen. Das dreistufige Verfahren von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid, ergänzt um ein fakultatives Referendum, ist schon ziemlich schlau. Nach jeder Stufe ist es Pflicht, dass Bürger und Politiker nach einem Kompromiss suchen. Das Verfassungsgericht kann zudem vorher prüfen, ob eine zustande gekommene Volksinitiative gegen Grundrechte verstößt. Tut sie das, wird sie nicht zugelassen. Auf all dies könnte man sehr stolz sein. Und viele sind es auch.
Naja, den Verfassungsgerichtsvorbehalt kann man auch anders sehen. In Bayern macht sich der BayVerfGH damit zum Scharfrichter der direkten Demokratie.
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Doch sie hat der repräsentativen Demokratie zweierlei voraus: Sie wirkt systemstabilisierend, und sie hat eine Ventilfunktion. Keiner kann mehr sagen, dass "die da oben" eh machen, was sie wollen. Wir alle können unsere eigenen Anliegen einbringen und andere stoppen – wenn wir genügend Menschen finden, die das auch wollen. Dann aber müssen wir die Entscheidung der Mehrheit akzeptieren.
Zudem bietet die direkte Demokratie den Machthabenden die Chance, zu erkennen, was das Volk bewegt.
Die direkte Demokratie in Hamburg ist noch sehr jung. Damit ist auch diese zum Teil eklatante Hilflosigkeit der Elite im Umgang mit den gestärkten Bürgern zu erklären.
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Leider haben einige Mächtige in dieser Stadt noch nicht erkannt, dass es ihnen selbst guttut, wenn sie ihre Sache den Menschen da draußen, denen sie ja eigentlich verpflichtet sind, glaubhaft vermitteln müssen.
Aber diese Mächtigen gehören einer aussterbenden Spezies an. Das wird man auch in der Handelskammer erkennen müssen.