Mehr Demokratie e.V. - Bundesverband
Presseinformation Nr. 17/06 - Berlin, 14.06.2006
EU-Gipfel
Verfassungskrise: Scheitern als Chance
Vor dem morgen in Brüssel beginnenden EU-Gipfel hat die Initiative
Mehr
Demokratie die Staats- und Regierungschefs der Union aufgefordert, das
Scheitern der Europäischen Verfassung zu akzeptieren und als Chance zu
begreifen. Notwendig sei ein demokratischer Neubeginn im
Verfassungsprozess, sagte
Mehr Demokratie-Sprecherin
Claudine Nierth.
Der Vorschlag der Initiative: Ein von den Bürgerinnen und Bürgern direkt
gewählter Konvent soll einen neuen Verfassungsentwurf ausarbeiten, über
den dann in allen EU-Staaten am gleichen Tag abgestimmt werden kann.
"Nach einem Jahr Denkpause fragen sich die Staats- und Regierungschefs
noch immer, wie sie den Menschen ihren Entwurf der EU-Verfassung
schmackhaft machen können", so
Nierth. "Sie sollten den Tatsachen ins
Auge sehen: Die Verfassung ist gescheitert, weil die Bürgerinnen und
Bürger nicht von Anfang an in den Prozess ihrer Entstehung miteinbezogen
wurden. Das muss jetzt nachgeholt werden, wenn Europa die Krise
überwinden soll, die durch das doppelte Nein bei den
Volksabstimmungen
in Frankreich und den Niederlanden entstanden ist."
Alle anderen bisher diskutierten Varianten - neue Volksabstimmungen in
Frankreich und den Niederlanden, Nachverhandeln der Verfassung oder ein
erneutes, europaweites Referendum - hält
Nierth für wenig Erfolg
versprechend. "Ein neuer Anlauf mit der alten Verfassung scheidet aus,
wenn die EU an ihren demokratischen Grundprinzipien festhalten will."
Frankreich und die Niederlande hätten auch bereits deutlich gemacht,
diesen Weg nicht mitzugehen.
Die Verfassung neu zu verhandeln, ohne die Bürgerinnen und Bürger daran
zu beteiligen, birgt aus Sicht der Mehr Demokratie-Sprecherin Risiken:
"Das wäre die Methode 'Trial and Error'. Was passiert denn, wenn eine
überarbeitete Verfassung erneut abgelehnt wird? Wird dann wieder
verhandelt?" Durch die frühzeitige Einbindung der Bevölkerung könnte das
Risiko einer erneuten Ablehnung verringert werden, glaubt Nierth.
Den vom amtierenden Ratspräsidenten Wolfgang Schüssel vorgeschlagenen
Weg, die Bürgerinnen und Bürger in allen EU-Staaten gleichzeitig über
die Verfassung abstimmen zu lassen, hält Nierth zwar für richtig, aber
nicht zum jetzigen Zeitpunkt: "Das hieße, den zweiten Schritt vor dem
ersten zu machen. Und es würde Franzosen und Niederländer vor das
Problem stellen, erneut über einen identischen oder nur leicht
abgewandelten Text abzustimmen."
Christian Posselt, Pressesprecher