Die 100 größten Irrtümer über die (direkte) Demokratie
#55 "Es braucht eine präventive Normenkontrolle durch die Verfassungsgerichte"
Eine auch in der (direkt-)demokratischen Bewegung nicht unumstrittene Frage. Dennoch ist dies ebenso ein Vorurteil bzw. eine undemokratische Hürde, die sogar Verfassungsgerichte zum Meuchelmörder der (direkten) Demokratie werden lässt. Denn bei allem berechtigten Interesse an einer konsistenten Volksgesetzgebung und Wahrung von Rechtsstaat und Demokratie, scheitert dieser Ansatz am Trilemma aus infinitem Regress, Zirkelschluß und Dogmatismus. "Quis custodiet ipsos custodes?" fragten sich schon die antiken Römer. Wer bewacht die Wächter? Wer garantiert, dass keine politischen Urteile gefällt werden? Wer kontrolliert Entscheidungen der Verfassungrichter?
Ein Blick in das deutsche BVerfGG ernüchtert: Entscheidungen des BVerfG sind unanfechtbar. Sowas steht sonst nur absolutistischen Herrschern zu. Ähnlich verhält es sich mit den Landesverfassungsgerichten, die schon häufig Volksbegehren einfach für unzulässig erklärten, so z.B. "Mehr Demokratie in THüringen" und "Faire Volksentscheide" in Bayern Eine formal-juristische Begründung wird sich immer aus den Fingern gesaugt.
Die Tatsache, dass Verfassungsrichter i.d.R. nach Parteienproporz gewählt werden kann da kaum Vertrauen erwecken: warum sollten die Parteien nicht auch hier ihre Eigeninteressen verfolgen? Und die Entscheidungen bleiben weiterhin ohne Kontrolle, außer auf europäischer Ebene wo schon manches Urteil der deutschen Justiz vom Amtsgericht bis zum BVerfG kassiert wurde. In sofern ist auch hier die Unfehlbarkeit der Verfassungsrichter anzuzweifeln.
Auch eine nachgeschaltete Überprüfung durch Verfassungsgerichte ist demokratisch höchst zweifelhaft, Auch hier sind sich Verfassungsgerichte wie der BayVerfGH nicht zu schade sogar rechtsbeugende Urteile zu fällen, sich zum Gesetzgeber aufzuschwingen und dem Volk die Regeln der Demokratie zu diktieren.
Fazit: wer einer Kontrolle durch Verfassungsgerichte die Tür öffnet, öffnet sie dem Missbrauch, der bis zum Tod der Demokratie führen kann.