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Abstimmungsklauseln
geschrieben von:
cassiel (IP-Adresse bekannt)
Datum: 11.07.2005 03:13
Abstimmungsklauseln sind Zusatzerfordernisse an Abstimmungen, selten auch Wahlen, die über die nach den demokratischen Prinzipien gebotenen Erfordernisse hinausgehen. Abstimmungsklauseln treten sowohl bei direktdemokratischen Verfahren, Parlaments- und Direktwahlen, als auch bei parlamentarischen Verfahren auf. In der Regel wird bei Nicht-Erfüllung der Klausel-Kriterien eine Abstimmung oder Wahl für "ungültig" erklärt, was jedoch de facto immer eine Verletzung der demokratischen Prinzipien bedeutet. Abstimmungsklauseln sind daher prinzipiell undemokratisch.
Insgesamt sind drei Grundtypen von Abstimmungsklauseln zu unterscheiden:
* Beim Zustimmungsquorum muss mindestens ein bestimmter Prozentsatz der Wahl- bzw. Stimmberechtigten einer Vorlage zustimmen.
* Beim Abstimmungsquorum/Beteiligungsquorum muss mindestens ein bestimmter Prozentsatz der Wahl- bzw. Stimmberechtigten an der Abstimmung teilnehmen. Dabei ist es unerheblich ob diese mit "Ja" oder "Nein" stimmen, die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen ist maßgebend.
* Beim Verteilungsquorum muss ein über die absolute Mehrheit hinausgehender Prozentsatz der Wahl- bzw. Abstimmungsteilnehmer einer Vorlage zustimmen. z.B. mindestens 66,7% (=2/3) Ja-Stimmen (sogen. "2/3-Mehrheit")
Abstimmungsklauseln stellen keinen unmittelbar notwendigen Bestandteil von Abstimmungsverfahren dar. So gibt es Länder wie z.B. die Schweiz, die auf Abstimmungsklauseln vollkommen verzichten. In Deutschland dagegen sind fast ausnahmslos alle direktdemokratischen Verfahren mit Abstimmungsklauseln versehen und das sogar auf höchstrichterlichen Beschluß wie in Bayern.
Abstimmungsklauseln stehen in unmittelbarem, poltitischen Zusammenhang mit dem jeweils zugehörigen Verfahren und den sich aus ihrer Anwendung ergebenden Konsequenzen. Wird eine Abstimmung aufgrund einer Abstimmungsklausel für "ungültig" erklärt, kann dies je nach konkreter Regelung des Verfahrens eine der folgenden Konsequenz haben:
* faktischer Abstimmungserfolg der Seite des status quo, obwohl diese ggf. in der demokratischen Minderheit war.
* Wiederholung der Abstimmung, ggf. ohne Abstimmungsklauseln
* Die letztendliche Entscheidungsbefugnis wird an das Parlament übertragen (nur bei Volks-/Bürgerentscheiden)
Die undemokratischen Abstimmungsklauseln stellen stets eine einseitige Benachteiligung von der einen gegenüber der anderen Seite dar. Dies hat im Einzelfall strategisch-taktische Abstimmungskampfstrategien zur Folge, die ebenso undemokratisch sind, wie z.B. Verweigerungs- und Boykottstrategien bei Beteiligunsquoren ("
Bürgermeister verkauft Bürger für dumm")
Abstimmungsklauseln haben aufgrund ihres unfairen Charakters eine enorm frustierende Wirkung auf die Bürger, die sich verständlicherweise um den Lohn ihrer Bemühungen gebracht sehen. Diese Frustrierung ist seitens der verantwortlichen Politiker auch beabsichtigt. Politisch frustierte Bürger ziehen sich eher ins Privatleben zurück und wagen es erst gar nicht sich einem solch ungleichen Kampf zu stellen. Dies kommt den Politikern wiederum als Scheinargument sehr gelegen, da man damit dem Bürger weiter als unmündig und unwillig zur Mitbestimmung darstellen kann.
Links:
Mehr Demokratie - Sinn oder Unsinn von Abstimmungsquoren
Europarat gegen Abstimmungsklauseln
5-mal bearbeitet. Zuletzt am 28.06.08 22:46.